Atica, Princess, Sieglinde und Bernadette, so heißen nicht etwa Mädchen, die unter der Sulzburg die Schulbank drücken. Die klangvollen Namen, die im Musiksaal der Unterlenninger Lindenschule auf einem Plakat prangen, sind nichts anderes als Kartoffelsorten. Mit der vielseitigen Knolle haben sich Paula, Lucca und all die anderen Viertklässler der Schule in einem Projekt intensiv beschäftigt. Sie haben dazu Gedichte und fetzige Lieder einstudiert und gelernt, was Kartoffeln zum Wachsen brauchen, warum sie eine Schale haben, wie man sie erntet und dass man aus ihnen einen leckeren Salat oder auch Kartoffelpuffer zubereiten kann. Was sie sich bislang im Unterrichtsalltag angeeignet haben, vertiefen Kinder, die die Unterlenninger Grundschule besuchen, künftig unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit. Die Lindenschule möchte wie sechs weitere Schulen im Biosphärengebiet Schwäbische Alb eine Biosphärenschule werden. Ziel ist, ein Netzwerk zu gründen und nach der Pilotphase weitere Schulen ins Boot zu holen. Im Laufe des Jahres erarbeiten sich die Teilnehmer ein Zertifikat, das dann außen am Gebäude angebracht wird. Die Kinder lernen, ökologische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge zu verstehen. Für die Kollegien gibt es Seminare zur Weiterbildung; erwünscht ist auch die Zusammenarbeit mit Partnern wie Landschaftsführern, Naturschutzexperten, Schäfern oder Landwirten. Schon jetzt kooperiert die Lindenschule eng mit dem Sulzburghof. Wie in der Präsentation der Kinder deutlich wurde, haben der Vollernter, das eigenhändige Ausgraben der Kartoffeln und Besuche im Kartoffelkeller offenkundig großen Eindruck hinterlassen.
Bei der Projektvorstellung in Unterlenningen „wilderte“ der Tübinger Regierungspräsident Klaus Tappeser zwar in einem fremden Regierungsbezirk. Weil jedoch die überwiegende Anzahl der Biosphärengemeinden und auch der Großteil der Pilotschulen zu seinem Terrain gehören, übernahm er den Part des Gastgebers. Den „Adelstitel“ Biosphärengebiet müsse man sich erarbeiten. Derzeit steht die alle zehn Jahre fällige Überprüfung an. Geguckt wird beispielsweise, ob die Menschen sich für das Biosphärengebiet begeistern, wie es mit der Direktvermarktung aussieht und ob Städte und Gemeinden mitmachen. Ein Baustein ist, an junge Leute ranzukommen und sie für ihre Umgebung zu sensibilisieren. Genau da setzen die Biosphärenschulen an.
„Uns fehlen Projekte, die zeigen, dass wir Teil des Biosphärengebiets sind“, bekannte Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht. Deshalb freut er sich darüber, dass die Lindenschule eingestiegen ist und sie damit über die klassischen Aufgaben einer Schule hinaus denkt. Kinder lernten so beispielsweise, dass es nicht jedes Obst und Gemüse zu jeder Zeit gibt. „Wenn sie nachher wissen, dass die Pommes nicht in der Fritteuse wachsen, ist viel erreicht“, sagte er augenzwinkernd.
Beispiele für Themen, mit denen sich die Schulen beschäftigen, hatte die Projektleiterin Angelika Jany parat: Das Anlegen eines Hochbeets und eines Barfußpfads gehört genauso dazu wie ein Apfelprojekt, ein Vesperpass und die Heidepflege. Dahinter steckt jeweils der Erhalt der Landschaft als Motivation.
In einem Interview erläuterte die Rektorin Melanie Amann, was sie sich durch die Teilnahme an dem Pilotprojekt erhofft: „Wir wollen unsere Umgebung als Schatz wahrnehmen, unseren Horizont erweitern und die Welt ein bisschen besser machen.“ Unter dem Stichwort „Schützen durch Nützen“ gehe es im Biosphärengebiet darum, Ökologie und Ökonomie zusammenzubringen und die Landwirtschaft einzubinden, hatte Klaus Tappeser gesagt und es auf den Punkt gebracht: „Die Leute brauchen etwas zum Runterbeißen.“ In diesem Sinne ließen sich die Gäste am Ende die von Lehrerinnen und Kindern gebackenen Kartoffelweckle schmecken.